Der Arbeitskreis Prozesssimulation versteht sich als offenes Gremium für simulationsbegeisterte Ingenieurinnen und Ingenieure. Bei den halbjährlichen Treffen steht der technologieoffene Austausch über die vielfältigen Anwendungsbereiche von Prozesssimulation und ihre Herausforderungen in der Praxis im Vordergrund. Dieses Mal wurden Simulationstechniken für Prozess und Logistik anhand verschiedener Praxisbeispiele beleuchtet und anschließend im gemeinsamen Workshop weiter entwickelt.
Am 10.04.2025 fand das 14. Treffen des Arbeitskreises Prozesssimulation in Hanau statt. Gastgeber war der renommierte deutsche Simulationsdienstleister SimPlan AG.
Märchenhafter Einstieg
Dreiundzwanzig interessierte Expertinnen und Experten aus den Bereichen Chemie, Pharma, Food und Engineering hatten sich diesmal zum Treffen des Arbeitskreises am Donnerstag, dem 10.04.2025 eingefunden. Bereits am Mittwochabend traf man sich zum gemütlichen Get-Together im Stadtkern von Hanau, wo es zunächst märchenhaft zuging – die Gastgeberin führte die Teilnehmenden auf die Spuren der Brüder Grimm, die in Hanau geboren wurden; in einem zünftigen Wirtshaus beim gemütlichen Beisammensein klang der Abend aus.
Für das eigentliche Treffen des Arbeitskreises Prozesssimulation am folgenden Donnerstag war diesmal das Thema Simulationstechniken für Prozess und Logistik ausgewählt worden. Am Vormittag setzte zunächst eine Keynote des Gastgebers den thematischen Rahmen.

Den thematischen Übergang von der märchenhaften Tradition zur technologischen Moderne bewältigte der Arbeitskreis dann mühelos, indem zwei praxisnahe Präsentationen das Thema Simulationstechniken für Prozess und Logistik aus Produktionssicht beleuchteten. Am Nachmittag folgten zwei weitere Präsentationen, bevor unser Workshop im bewährten World-Café-Format sich diesmal mit der Sicht der Teilnehmenden auf Aktuellen Nutzen, Herausforderungen und Anwendungsfälle der Simulation im Bereich Prozess und Logistik konzentrierte.
Keynote: Vom klassischen Wertstromprozess zur fluiden Anwendungsebene
Stephan Stauber (SimPlan AG)
Stephan Stauber gab einen kurzen Überblick über Lean Management-Methoden und stellte im Anschluss die Methode der Wertstromanalyse vor. Diese identifiziert Engpässe, Verschwendung und Verbesserungspotenziale und dient als Grundlage für Optimierungen. SimVSM ist ein von SimPlan entwickeltes Tool, das einen volldigitalen Ansatz der Wertstromanalyse als Web-App umsetzt und mit Simulation integriert. Im Weiteren ging Stephan auf die Herausforderungen der Umsetzung fluider Wertströme ein und zeigte eine Live-Demo des Tools anhand eines Beispielprozesses.
Beitrag 2: Vorhersage mikrobiologischer Qualität mit Materialflusssimulation und biologischen Wachstumsmodellen
Tim Schneider (Bayerische Milchindustrie eG (BMI))
Tim Schneider gab zur Einführung einen Überblick über die Wertschöpfungskette aus Kuhmilch, und insbesondere aus Molke, die von BMI in verschiedene Molkeproteine, Milchzucker und weitere Stoffe aufgetrennt und vermarktet wird. Die mikrobiologische Qualität ist hier von hoher Wichtigkeit, deren Einflussfaktoren sind die Ausgangskeimzahl, Temperatur, Lagerdauer und Zuckerkonzentration. Im Laufe des Prozesses ausgehend von Molke sinkt die Keimkonzentration zunächst durch Erhitzung, steigt dann durch Lagerung und die mehrstufige Ultrafiltration; während das Permeat eine sehr geringe Keimkonzentration aufweist, werden Keime auf der Retentatseite aufkonzentriert. Für eine möglichst geringe Keimanzahl lassen sich bestimmte Heuristiken ableiten, wie eine Priorisierung von Retentat- gegenüber Permeatströmen in der Weiterverarbeitung. Per Simulation mit INOSIM konnte u. a. eine mittlere Verarbeitungsdauer und Lagerdauer für verschiedene Anlagenkonfigurationen vorhergesagt werden. Dies unterstützt BMI darin, eine auf bestmögliche mikrobiologische Qualität optimierte Anlage zu planen.
Beitrag 3: Ereignisdiskrete Simulation einer Reinigungsanlage mit SimPy
Andreas Fischer (Biotest AG)
Andreas Fischer stellte einen simulationsbasierten Ansatz vor. Dabei ging es um die Bewertung der Fragestellung, ob die Kapazität einer Reinigungsmaschine für Prozessequipment (Spülmaschine) bei steigender Anzahl von Produktionsbatches pro Woche ausreicht. Dazu wurde anhand eines Produktionsplans aus SchedulePro eine Liste von In/Out-Events des Equipments (z. B. Pharmahammer) erstellt. Hier muss eine Reihe von Restriktionen eingehalten werden: Clean- und Dirty-Hold-Time, Beladungsmuster der Reinigungsmaschine. Das System stellt ein interessantes Optimierungsproblem dar: gibt es zu wenig Equipment, muss der Prozess warten, gibt es zu viel Equipment, muss dieses ständig ungenutzt gereinigt werden, da z. B. die Clean-Hold-Time abgelaufen ist, und bedingt damit mehr Reinigungskapazität.
Zur Simulation des Systems wurde die Python-basierte Freeware SimPy (Discrete-Event-Simulator) ausgewählt. Dieses Tool ist rein code-basiert und erlaubt es nur bedingt, eigene Klassen zu erstellt. Es konnten durch Simulation verschiedener Szenarien belegt werden, dass die Reinigungsanlage das Ramp-Up bedienen kann, sowie Handlungsempfehlungen konnten abgeleitet werden.

Beitrag 4: Integrierte rezeptbasierte Simulation von Produktionsprozessen sowie Intra- und Interlogistiken
Dominik Aubel (INOSIM GmbH)
Dominik Aubel gab Einblicke in ein laufendes Projekt der gemeinsamen Simulation von Prozess und Logistik mit INOSIM Packaged Goods: Aus einem entfernten Großlager werden Einsatzstoffe und Packmittel per LKW just-in-time zum Produktionsstandort gebracht. Nicht-verbrauchte Einsatzstoffe sowie verpackte Produkte werden wieder eingelagert. Dabei sind zahlreiche Nebenbedingungen und Heuristiken einzuhalten, um die Herausforderungen des realen Betriebs darzustellen. Das Projekt sieht eine Kopplung mehrerer Werkzeuge vor: Ein APS-Tool erstellt einen Produktionsplan, dieser wird mit weiteren Daten (z. B. Inventar Zwischenlager, Rezeptparameter) in INOSIM verwendet, um die Machbarkeit des Produktionsplans zu testen sowie Auslastungs-optimierte Transport-Stücklisten zu erzeugen. Die Simulation der Logistik-Prozesse wird über das INOSIM Add-on Packaged Goods ermöglicht.
Beitrag 5: Kombination von Batch-Produktion und diskreter Fertigung in Fill & Finish-Prozessen
Danylo Spitsyn (Sigma Process & Automation GmbH)
Danylo Spitsyn stellte ein Fill & Finish-Simulations-Projekt vor, dessen Ziel es war, zu bestimmen, ob die Zielkapazität der Produktion von Blutplasma-Produkten mit einem initialen Design erreicht werden konnte. Das Modell verfolgt den Prozess über mehrere Wechsel, von Batch-Produktion zu diskreter Lagerung und Fertigung und zurück. Eingesetzt wurde INOSIM Software mit dem Packaged Goods Add-on, so dass die Logistik-Prozesse ebenfalls rezeptbasiert mithilfe von Modulen abgebildet werden konnten. Das Modell ist modular aufgebaut, so dass neue Produkte einfach über eine Matrix zusammengestellt werden können. In der Auswertung lag der Fokus auf den Palettenstellplätzen über die Zeit (Simulationszeitraum 1 Jahr) sowie der Equipmentauslastung. Die Auswertung der Stellplätze zeigt, dass diese in manchen Bereichen nur sehr knapp ausreichten (im Peak 94 von 96 belegt). In Zukunft soll das Modell um den vorgelagerten, detaillierten Batch-Produktionsprozess sowie Limitierungen, z. B. in Form von Mitarbeitern, ergänzt werden.
Demonstrator-Workshop
An drei Stationen waren Demonstratoren aufgebaut für SimVSM, INOSIM Insight mit Packaged Goods Add on, Anylogic und Plant Simulation mit 3D-Brille. An den Stationen konnten mit einem heißen Kaffee in der Hand Detailfragen diskutiert und an der letzten Station sogar Simulation im VR-Stil ausprobiert werden. An der Flip-Chart wurde das Feedback zum Arbeitskreis-Treffen gesammelt und zum Abschluss des Treffens diskutiert.

Auswertung
Zum Abschluss des Treffens wurde das Feedback der Teilnehmenden anhand von drei Leitfragen eingesammelt:
Was hat mir gefallen? | Was war neu für mich? | Was wünsche ich mir zusätzlich? |
Anwendungsbeispiele; Einblick in die Wertstromanalyse; Überblick Tools/Anwendungen; Live-Demo; Unterschiedliche Anwendungen & Tools; Mischung aus Vorträgen und Live-Demo; Neue Themen kennenlernen; Networking; Lockerer Austausch; „Über dieselben Probleme tratschen“; „Tolle Community!“ | Logistik, SimPy, Wertstromanalyse; Alles zum Thema Logistik & 3D-Simulation; SimPy & Wertstromanalyse | AI-Ist-Stand diskutieren; Austausch über interessante Parameter; Mehr von INOSIM losgelöste Themen; Pre/Post-Processing (Tools, Best Practice); Gemeinsame Arbeitsergebnisse; Mehr Hands-On-Beispiele und Diskussionen zu den Tools; Demo-Teil in Vorträgen |
INOSIM als Organisator des Arbeitskreises und SimPlan als Gastgeber danken allen, die teilgenommen haben, für das sehr wertvolle Feedback. In Zukunft sollen die Arbeitskreis-Treffen noch mehr Fokus auf Live-Demos setzen, um die Diskussion echter praktischer Herausforderungen zu fördern.
Ausblick auf das nächste Treffen
Der nächste Arbeitskreis Prozesssimulation ist für September 2025 geplant. Genauere Informationen erhalten Sie demnächst hier auf der INOSIM Homepage sowie auf der Homepage des Arbeitskreises. Wir freuen uns über Ihre Anmeldung und laden Sie gern zum nächsten Treffen ein!
Sie haben noch Fragen oder wünschen weitere Informationen? Bitte nehmen Sie Kontakt mit uns auf.