Der Arbeitskreis Prozesssimulation versteht sich als offenes Gremium für simulationsbegeisterte Ingenieurinnen und Ingenieure. Bei den halbjährlichen Treffen steht der technologieoffene Austausch über die vielfältigen Anwendungsbereiche von Prozesssimulation und ihre Herausforderungen in der Praxis im Vordergrund. Dieses Mal ging es um den Einsatz generativer KI in Engineering und Simulation.
Am 02.10.2025 fand das 15. Treffen des Arbeitskreises Prozesssimulation in Würzburg statt. Gastgeber war diesmal die SIGMA Process & Automation GmbH, wie INOSIM ein Mitglied der ZETA-Gruppe.
Einstieg: Fränkische Gastlichkeit
Achtundzwanzig interessierte Expertinnen und Experten aus den Bereichen Chemie, Pharma, Food & Engineering (und aus Österreich, Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz) fanden sich zum Treffen des Arbeitskreises in Würzburg ein. Am Mittwochabend traf man sich zum gemütlichen Get-Together in einem traditionell Gasthof direkt am Mainufer, wo die Teilnehmenden mit echt fränkischen Spezialitäten verwöhnt wurden. Wie vom Arbeitskreis gewohnt, ergaben sich hier bereits vielfältige Möglichkeiten für Austausch und Networking.

Deftiger Einstieg: Bereits am Vorabend begann die engagierte Diskussion unter 25 „Simulanten“
Was bedeutet der Einzug der KI für das klassische Engineering?
Für das eigentliche Treffen des Arbeitskreises Prozesssimulation am folgenden Donnerstag war diesmal das Thema Generative AI in Engineering & Simulation ausgewählt worden. Am Vormittag setzte zunächst eine Keynote des Gastgeber-Vertreters Jannick Richter (SIGMA) den thematischen Rahmen: GenAI in Industry: The end of mass engineering?

Chancen und Fallstricke der KI-Nutzung stellte Jannik Richter (SIGMA) pointiert heraus
Wo KI (derzeit noch) an Grenzen stößt: Modellieren von Unsicherheiten
Michel Kunkler (TU München)
Michel Kunkler von der TUM School of Computation, Information and Technology gab zunächst einen Überblick über die Modellierung von Geschäftsprozessen und die Anwendung dieser Simulationsmodelle – für das Publikum aus der Welt der (Produktions-)Prozesssimulation eine neue Sicht auf vertraute Technologie. Die Präsentation hob hervor, dass datengetriebene Ansätze oft große Datenmengen benötigen, die nicht immer verfügbar sind. GenAI könnte hier durch die Integration von allgemeinem Wissen (Common Knowledge) eine Lösung bieten, um epistemische Unsicherheiten zu verringern und komplexe Zusammenhänge besser zu modellieren. Durch dieses komplexe Thema führte Michel Kunkler mit einem Augenzwinkern anhand des Beispiels „Horst“, der jeden zweiten Donnerstag im Monat zum Stammtisch geht, was seine Arbeitsleistung am Freitag beeinflusst…
TU München: Effektiveres Brauen mit dem Chatbot
Günther Gaßner (TU München)
Anhand der Domäne Brauwissenschaft wurde aufgezeigt, wie KI das Wissensmanagement in einem Industriebereich verbessern kann. Am Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie (BGT) der TU München wurde hierfür ein eigener Chatbot (ChatBGT) mit dem Ziel Generative Wissensaufbereitung entwickelt. Günther Gaßner gab zunächst eine Einführung in Stand und aktuelle Herausforderungen im Wissensmanagement. Es folgte eine detaillierte Darstellung der generativen Wissensaufbereitung mit Hilfe von KI, bei der den Teilnehmenden Begriffe wie LLM (Large Language Model) oder RAG (Retrieval Augmented Generation) nähergebracht und anhand der praktischen Anwendung am Chatbot anschaulich erläutert wurden. Mögliche Anwendungen im Braubereich wären dann z. B. Prozessbeschreibungen, Rezepturen, Instandhaltungsdokumentation, Maschinen- oder Laborhandbücher, Betriebs- oder Arbeitssicherheitsanweisungen. Der Einsatz der KI hilft somit, Unternehmenswissen zu sichern, den Grundstein für Zukunftstechnologien (A2A, SLM, MCP) zu legen, und letztlich, „zu ermöglichen, dass Brauer sich dem Brauen widmen“.

Anschauliche Folien erklärten die neuen Fachbegriffe aus der KI (Bild: Gaßner/TUM)
Klarheit bei Clariant: KI Clarita
Malte Otromke (Clariant International Ltd.)
Um den Einsatz der KI bei Clariant vorzustellen, ließ Referent Malte Otromke diese für sich selbst sprechen:
Ich bin Clarita, die KI-Assistentin von Clariant, einem führenden Unternehmen für Spezialchemikalien, und unterstütze bei Fragen zu chemischen Prozessen, Berechnungen und fachspezifischen Informationen. Meine Stärken liegen in der präzisen Beantwortung von Anfragen, der Durchführung komplexer mathematischer Berechnungen und der Bereitstellung von klaren, informativen Antworten zu verschiedensten Themen. Als digitale Assistentin bin ich darauf ausgerichtet, Fachleuten im Bereich der Prozesssimulation und chemischen Verfahrenstechnik mit aktuellen Informationen und analytischer Unterstützung zur Seite zu stehen.

Clariants Chatbot „Clarita“ hat ein Gesicht und spricht (Bild: Clariant)
Die Clariant-KI nutzt vortrainierte Modelle und kann mit projektspezifischen Informationen weiter trainiert werden. Ferner gibt es verschiedene Varianten des Assistenten (z. B. General, Project Specific, Research, Sales, Operations, Production). Fazit: Die KI bietet Ingenieuren vielfältige Vorteile, sie beschleunigt den Einstieg in neue Themen, erledigt Routineaufgaben oder bereitet Daten auf.
INOSIM: Übernimmt INO-SIMon euren Job?
Engelbert Pasieka, Dominik Bleidorn (INOSIM GmbH)
Auch bei INOSIM wurde das Wissensmanagement als erster Anwendungsbereich für die Entwicklung eines hauseigenen Chatbots gewählt. Die Content-Grundlage dafür bildet die INOSIM Anwenderdokumentation mit dem Basic Objektmodell, die Bibliothek der INOSIM Tipps und Tricks sowie eine Sammlung von Docs for Advanced Scripting (VBA). Als Entwicklungsziel wurde die sichere & flexible Integration des Bots ausgegeben: Die Kunden nutzen die eigene Chatbot-Lizenz, INOSIM liefert Oberfläche & Daten. Das Scripting in INOSIM ermöglicht die Steuerung von Ereignissen in der Simulation und basiert auf WinWrap VBA und .NET 5+ Bibliotheken. Es umfasst hunderte Controls, Constants, Events, Objekte, Methoden und Eigenschaften. Diese soll der Bot (Codename „SIMon“) den Anwendern auf einfach Weise zugänglich machen und z. B. Fragen zu bestimmten Objekten beantworten (z. B.: „Wie programmiere ich eine benutzerdefinierte Belegungssteuerung in INOSIM?“) und Code Snippets generieren. Für den Prototypen wurde die Dokumentation in für die Interpretation in einem LLM aufbereitet und entsprechende System Prompts entwickelt, um „Invention“ zu verhindern. Die Ergebnisse sind vielversprechend, aufgrund der großen „Context Length“ aber teuer. Daher wurde außerdem mit Retrieval-Augmented-Generation (RAG) experimentiert und wertvolle Erkenntnisse über die Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung von LLMs für zukünftige Weiterentwicklungen gewonnen.

Erste Tests zeigten, wie der INOSIM Chatbot arbeitet
Hands-on-Workshop
Von den Vorträgen zur experimentellen Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse ist es beim Arbeitskreis Prozesssimulation immer nur ein kleiner Schritt. Dieses Mal stand der gemeinsame Workshop unter dem Motto Prompt-Engineering: von naiven und strukturierten Prompts. Dabei ging es darum, ein Prompt, also die Aufgabe, die von der KI erledigt werden soll, in ein Eingabefeld zu schreiben, z. B. als Frage. Eine oder mehrere Aufgaben werden so in einen prompt-basierten Datensatz umwandelt und ein Sprachmodell mit dem sogenannten prompt-basierten Lernen trainiert. Konkret wurde zwei Aufgaben im Praxistest bearbeitet: Python Code mit ChatGPT, Gemini oder Firmen-KI schreiben, sowie den INOSIM Bot für INOSIM VBA-Code und Support nutzen. Dadurch gewannen die Teilnehmenden auch einen praktischen Zugriff auf die zuvor in den Vorträgen vorgestellten Themen.

Erkenntnisgewinn und Austausch über Firmengrenzen hinweg: Der abschließende Workshop
Ausblick auf das nächste Treffen
Der nächste Arbeitskreis Prozesssimulation ist für das Frühjahr 2026 geplant. Genauere Informationen erhalten Sie demnächst hier auf der INOSIM Homepage sowie auf der Homepage des Arbeitskreises. Wir freuen uns über Ihre Anmeldung und laden Sie gern zum nächsten Treffen ein!
Sie haben noch Fragen oder wünschen weitere Informationen? Bitte nehmen Sie Kontakt mit uns auf.


