16. Oktober 2024

13. Treffen des AKPS: Datengetriebene Modellierung

Der Arbeitskreis Prozesssimulation versteht sich als offenes Gremium für simulationsbegeisterte Ingenieurinnen und Ingenieure. Bei den halbjährlichen Treffen steht der technologieoffene Austausch über die vielfältigen Anwendungsbereiche von Prozesssimulation und ihrer Herausforderungen in der Praxis im Vordergrund. Dieses Mal wurden die Möglichkeiten der Datengetriebenen Modellierung anhand verschiedener Praxisbeispiele beleuchtet und anschließend im gemeinsamen Workshop weiter entwickelt.

Am 26.09.2024 fand das 13. Treffen des Arbeitskreises Prozesssimulation in Würzburg statt, angegliedert an den Smart Process Manufacturing Kongress am 24. und 25.09.2024.

Expertentreffen inkl. Get-Together

Fünfundzwanzig interessierte Expertinnen und Experten aus den Bereichen Chemie, Pharma, Food und Engineering hatten sich diesmal zum Treffen des Arbeitskreises am Donnerstag, dem 26.09.2024 eingefunden. Bereits am Mittwochabend traf man sich zum gemütlichen Get-Together im Alten Kranen, einer kulinarischen „Institution“ in Würzburg.

Für das eigentliche Treffen des Arbeitskreises Prozesssimulation am folgenden Donnerstag wurde das Thema Datengetriebene Modellierung ausgewählt. Am Vormittag boten drei praxisnahe Präsentationen einen Überblick über aktuelle Herausforderungen und innovative Lösungsansätze und erste Möglichkeiten zum Einstieg in die Diskussion. Der Nachmittag stand dann im Zeichen des Workshops im World-Café-Format zu den drei Hauptthemen Datenaufbereitung, Automatische Modellgenerierung und Cross-Plattform-Synchronisation.

Entspannt und doch konzentriert: Die Atmosphäre beim Arbeitskreis Prozesssimulation 2024 in Würzburg

Präsentation 1: Ein digitaler Zwilling bei CSL

Alexander Krez (CSL), Dr. Christian Sonntag (INOSIM)

CSL Behring, ein Biopharma-Unternehmen mit dem Kerngeschäft Plasmaprodukte, plante eine neue Basisfraktionierung am Standort Marburg, die zu 80% automatisiert arbeitet. Entwicklungspartner war die österreichische ZETA Gruppe, ein End-to-End Solutions Provider, der mit seiner SES-Plattform die durchgängige Digitalisierung von Projekten vorantreibt. INOSIM Simulation wurde in dem Projekt über die gesamte Planungsphase bis hinein in den Betrieb genutzt.

Im gemeinsam mit dem Kunden erarbeiteten Konzept ging es um Fragen wie „Nutzen wir das Bestandsgebäude oder muss es einen Neubau geben?“ Im Detail Engineering wurden dann detaillierte Prozessabläufe und Nebenprozesse wie CIP abgebildet. So konnten Batchsizing, Personalbedarf und die Robustheit des Prozesses ermittelt werden. Da es in der Anlage lange Zeiten der automatisierten Schritte gibt, ergab sich der Bedarf, eine Vorhersage über die manuellen Schritte in der Anlage zu bekommen. Daher wird das im Engineering entwickelte Simulationsmodell mit INOSIM Foresight zur vorhersagenden Produktionsunterstützung für den Betrieb der Anlage weiter genutzt.

Foresight lässt sich als „Google Maps“ der Prozessindustrie beschreiben: So wie man früher zur Orientierung Landkarten nutzte, wurden in der Prozessindustrie die Produktionsabläufe früher größtenteils manuell geplant. Neuplanungen aufgrund unvorhergesehener Ereignisse stellten eine große Herausforderung dar. INOSIM Foresight ermöglicht nun exakte Vorhersagen mit Echzeitdaten sowie die automatische Planung mit hochgenauen Modellen. Ein Digitaler Zwilling wird dabei über Livedaten aus einer realen Anlage initialisiert. So lassen sich konkrete Prozessschritte voraussagen. Für genaue Vorhersagen muss das Modell der realen Anlage möglichst exakt entsprechen. Dafür setzt INOSIM Foresight auf die Anbindung an vorhandene Systeme. In dem hier beschriebenen Projekt handelte es sich um das MES System, da dieses alle benötigten Daten vereint.

Bei Foresight-Projekten ist die Simulation Teil einer Plattform, die dann für verschiedenste Use Cases genutzt werden kann. Bei CSL ist unter anderem eine Abflugtafel im Einsatz, die die manuellen Schritte in der Anlage vorhersagt. Weitere Use Cases, wie zum Beispiel die dezentrale Wartungsplanung oder Optimierung von Produktionsplänen wären hier denkbar. Aktuell wird an der Herausforderung der Aktualisierung von Modellparametern gearbeitet.

Präsentation 2: Hybride Simulationsmodelle

Michael Schüler (Siemens)

Hybride Modelle bestehen aus zwei Komponenten: First Principle Modelle sind rigorose mathematische Modelle, die wenige Daten benötigen; beim Machine Learning dagegen werden viele Daten benötigt. Anwendungsfälle für die Verwendung hybrider Modelle sind die Auslegung von Wärmetauschern, chemische Reaktionen oder Model-Predictive Control, da es hier zu großen Rechenzeiten kommen kann. So kann es von Vorteil sein, ein Modell mit Daten zu trainieren.

Im vorgestellten Use Case „CSTR für die Methanolproduktion“ wird ein Simulationsmodell für die Reaktion im Rührkessel verwendet, bei dem die Funktion für die Reaktionsrate nicht aus dem Arrhenius-Ansatz, sondern mithilfe von Machine Learning aus Daten bestimmt wird. In einem ersten Ansatz wird die Reaktionsrate in Abhängigkeit weniger Größen bestimmt. Wird die Aktivierungsenergie dem vorhanden Ansatz hinzugefügt, bildet die aus Daten erhaltenen Funktion für die Reaktionsrate die Funktion aus dem Arrhenius-Ansatz gut ab.

Die datengetriebenen Modelle werden als No-Code-Methode über eine Web-Oberfläche zur Verfügung gestellt (intern). Dabei kann der Nutzer rigorose Modelle mit datengetriebenen Modellen verbinden, indem er zum Beispiel Größen aus datengetriebenen Modellen in seine Modellierungstools einbindet. So lassen sich diese Modelle später auch Anwendern ohne Datenhintergrund zur Verfügung stellen.

Diskussion: Standards für die Co-Simulation mit verschiedenen Simulationstools

Für die vorgestellte Anwendung wurde FMU (Functional Mock-up Interface) als Schnittstelle genutzt, welches aber derzeit noch nicht für jede Simulationssoftware zur Verfügung steht. Ein weiteres Diskussionsthema war der Einfluss von stark schwankenden Rohstoffqualitäten auf die vorgestellte Methode.

Präsentation 3: Reduktion von Plant-Model Mismatch

Carina Bisping (INOSIM)

Bei der Erstellung von Simulationsmodellen ist ein gewisser Plant-Model Mismatch nicht zu vermeiden. Ein Modell wird meist in einem für die Anwendung sinnvollen Detailgrad erstellt. Wenn es jedoch um die Anbindung eines Modells an eine reale Anlage geht, muss das Modell der Anlage exakt entsprechen. Dazu kann man zum einen die Rezeptstruktur aus historischen Daten ableiten (Data Driven Modeling), zum anderen Modellparameter mit historischen Daten abgleichen (Parameterschätzer).

Automatisierte Erstellung von Rezepten in INOSIM

Zur Vereinfachung der Rezepterstellung in INOSIM wird es zukünftig möglich sein, Produktionsrezepte aus bereits vorhanden Rezeptstrukturen zu importieren. Solche vorhanden Rezeptstrukturen können zum Beispiel aus Automatisierungssoftware oder anderen Simulationstools stammen. Ein zusätzlicher Vorteil hierbei ist, dass es auch Nicht-INOSIM-Anwendern so möglich ist, ein Rezept zu erstellen, welches dann nach INOSIM importiert wird.

Diskussion: Excel-Format als Datengrundlage für generischen Rezeptimport

In der anschließenden Diskussion ging es darum, INOSIM Rezepte in einem Excel-Format zu erstellen und anschließend als Rezept nach INOSIM exportieren.

Workshop

Im anschließenden Workshop im World-Café-Format wurden von den Teilnehmenden folgende Fragestellungen bearbeitet:

Aufbereitung historischer Daten für die Bestimmung von Simulationsparametern – Ist es immer der Mittelwert?

Die Aufarbeitung von historischen Daten hängt stark von der Datenqualität und Art der Daten ab. Je nach Zielsetzung des Modells kann die statistische Auswertung von Realdaten daher sehr unterschiedlich ausfallen.

Was sind die Anforderungen an eine (teil)-automatisierte Modellerstellung? Wie sieht in diesem Zusammenhang die Zukunft von Simulationsanwendern aus?

Die Teilnehmenden des Workshops waren sich einig, dass das automatische Erzeugen von Modellen den Usern vor allem repetitive Aufgaben wie die Benennung von Objekten erleichtern kann. Für das Modellieren von Spezialfällen und zur Kontrolle des Modells wird aber auch weiterhin ein Simulationsexperte oder -expertin benötigt.

Vereinfachte Modellpflege durch „Synchronisation“ mit Engineering Plattformen, und vice versa?

Eine Synchronisation mit anderen Tools bedingt funktionierende Schnittstellen im Im- und Export. Eine Single-Source-of-Truth-Lösung ist aufgrund der Detailgrad-Unterschiede herausfordernd.

(Details sind im Protokoll im Mitgliederbereich der Website des AKPS zu finden.)

Das nächste Treffen

Der nächste Arbeitskreis Prozesssimulation ist für das Frühjahr 2025 in bei der SimPlan AG in Hanau geplant. Genauere Informationen erhalten Sie demnächst hier auf der INOSIM Homepage sowie auf der Homepage des Arbeitskreises. Wir freuen uns über Ihre Anmeldung und laden Sie gern zum nächsten Treffen ein!

Sie haben noch Fragen oder wünschen weitere Informationen? Bitte nehmen Sie Kontakt mit uns auf.

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